MEIN WEG ZUR FEUERWEHR

Du warst nie bei der Mini- oder Jugendfeuerwehr, du hast Familie und arbeitest in Frankfurt bei einer großen Bank. Wie kommt jemand wie du zur Feuerwehr?
Alex:
„Wir sind 2018 nach Oberursel gezogen. Ich komme jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit an der Oberstedter Wache vorbei und habe mich gefragt, wie Oberursel-Oberstedten zu diesem beeindruckenden Gerätehaus und Fahrzeugpark kommt. Dann sind zwei Sachen passiert, ich habe in der FAZ einen Artikel über die Nachwuchssorgen der Feuerwehren gelesen und bin an einem Plakat der Feuerwehr Usingen vorbeigekommen, auf dem um Feuerwehr-Quereinsteiger geworben wurde. Als ich ein paar Tage später, auf dem Weg von der Arbeit, Licht der Wache gesehen habe, bin ich reingegangen und gefragt, ob ich mitmachen kann.“

Gab es irgendwelche Bedenken bei dir?
Alex:
„Ja, die hat es gegeben. Zu dem Zeitpunkt meines Eintritts war ich 50 Jahren alt und hatte die Befürchtung, dass ich den Wissens- und Erfahrungsvorsprung der anderen, die seit ihrer Jugend dabei sind, nicht aufholen kann. In Hessen gibt es nur 6 Berufsfeuerwehren, das heißt die restlichen Städte und Gemeinden stemmen den Brandschutz mit Freiwilligen Feuerwehren. Das hat mir das Gefühl gegeben, etwas anzufangen, was nicht so schwierig sein kann.“

Wie ist dein erster Eindruck gewesen?
Alex: „Die Leute in der Feuerwehr waren sehr freundlich und aufgeschlossen, aber auch sichtlich überrascht. So häufig kommt es nicht vor, dass jemand einfach ins Gerätehaus kommt und mitmachen will.“

Wie ist es dann für dich weiter gegangen?
Alex:
„Ich bin zu den Übungsabenden gegangen, habe da bei Theorie und Praxis mitgemacht, soweit es ohne Ausrüstung geht und im Rahmen der Unfallverhütung erlaubt ist. Nach 2 oder 3 Abenden habe ich ein Beitrittsantrag abgeben und einen Laufzettel für die Einkleidung und alles Weitere bekommen, den habe ich dann abgearbeitet.“

Was sind dabei die einzelnen Schritte?
Alex:
„Es fängt mit einer kleinen Tauglichkeitsuntersuchung beim Arzt an, es muss ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Foto abgegeben werden. Die Kosten wurden selbstverständlich erstattet. Zuletzt wird man mit der persönlichen Ausrüstung ausgestattet. Das sind Helm, Stiefel und Handschuhe. Dazu kommt ein Dienstanzug, ein Arbeitsanzug und Überhose und -jacke. In der Wache gab es noch einen Spind, in den alles verstaut wird.“

Wie ging es mit der Ausbildung weiter?
Alex: „Mit der Ausstattung konnte ich voll an den Übungsabenden mitmachen. Die meisten Tätigkeiten werden in Zweiertrupps ausgeführt und mit einem erfahrenen Truppführer bin ich schnell mit den Abläufen vertraut geworden. Ohne den Grundlehrgang konnte ich nicht an Einsätzen teilnehmen, ich bin aber bei Übungen mitgefahren, bei denen wir in einer Nachbargemeinde mit einem Spezialfahrzeug helfen sollten oder bei Hilfeleistungen für die Gemeinde oder Vereine. Irgendwann habe ich dann in Bad Homburg den Grundlehrgang absolviert. Bis dahin hat es rückblickend gar nicht so lange gedauert.“

Kannst du etwas über den Grundlehrgang sagen?
Alex: „Der Grundlehrgang bildet die Basis. Hier wird nichts vorausgesetzt, es gibt in Massen Theorie zu Brennen, Löschen, Unfallverhütung und Fahrzeugen. Praktisch wird Löschen, Stellen von Leitern, Wasserversorgung und Knoten gelehrt, geübt und geprüft. Der Grundlehrgang dauert normalerweise drei bis vier Wochen, wobei die Samstage voll genutzt werden und in der Woche 2 oder 3 Abende. Bei mir ist es ein Vollzeitlehrgang gewesen, der eine Woche gedauert hat. Nach dem Bestehen habe ich einen Melder gekommen, damit ich alarmiert werden kann. Seitdem fahre ich bei Einsätzen mit.“

Was kommt nach dem Grundlehrgang?
Alex:
„Der Grundlehrgang ist der erste Schritt in der Ausbildung zum Truppmann bzw. zur Truppfrau und wird nach zwei Jahren mit einer weiteren Überprüfung abgeschlossen. In dieser Zeit kann man aber schon andere Lehrgänge besuchen. Ich habe Lehrgänge für das Tragen von Atemschutzgeräten, Bedienen von Kettensägen und den Maschinistenlehrgang besucht. Es hätte noch Lehrgänge für Sprechfunk und für technische Hilfe bei Autounfällen gegeben, aufgrund von Corona ist aber vieles ausgefallen.

Was gibt es außerdem noch an Lehrgängen?
Alex:
„Es gibt Lehrgänge die fachlich spezialisieren und Führungslehrgänge. Eine Führungsebene, die noch im Landkreis ausgebildet wird, ist der Truppführer, also die Rolle des Seniorpartners in einem „Zweiertrupp“. Dazu muss aber die Truppmannausbildung abgeschlossen sein. Der „Truppführer“ ist wiederum Bedingung, um die Ausbildung zum Gruppenführer machen zu können.“

Welche Lehrgänge müssen absolviert sein?
Alex:
„Die Truppmannausbildung ist obligatorisch, der Rest richtet sich in erster Linie nach Interesse und gegebenenfalls nach Tauglichkeit und der Zeit, die man investieren möchte. Die meisten Feuerwehrleute in Oberstedten sind aber mindestens Truppführer. Viele in Oberstedten haben über die Feuerwehr den LKW-Führerschein gemacht, um als Maschinist die Löschfahrzeuge auch fahren zu dürfen. Ich selbst besaß bereits einen LKW-Führerschein durch meine Wehrdienstzeit. Den kann ich nun wieder in vollem Umfang nutzen. Auch hier werden die Kosten zum Erhalt des Führerscheines durch die Stadt Oberursel getragen.“

Wie ist der Feuerwehrdienst mit dem Beruf vereinbar?
Alex: „Es gibt kaum Überschneidungen, die Lehrgänge finden meist an Wochenenden und Abenden statt. Es ist zweimal passiert, dass ich später zur Arbeit gekommen bin, weil es morgens einen Alarm gab. Wenn ich erstmal in Frankfurt ankomme und arbeite, bin ich raus aus dem Feuerwehrgeschäft. Weil viele Feuerwehrleute berufsbedingt tagsüber nicht in Oberursel sind, hat die Stadt Angestellte, die sich hauptamtlich um die Organisation der Feuerwehr kümmern und in der normalen Arbeitszeit auch kleinere Einsätze abarbeiten. Grundsätzlich gilt: Der Arbeitgeber stellt mir für Feuerwehrbelange frei und die Stadt Oberursel erstattet das Gehalt. Das gilt für Einsätze genauso wie für Lehrgänge, wenn sie in die Arbeitszeit fallen.“

Was sagt der Arbeitgeber?
Alex:
„Mein Arbeitgeber fördert ehrenamtliches Engagement und es hat an der Stelle auch nie Probleme gegeben. Meine Kollegen sehen es auch gelassen, wenn ich mal feuerwehrbedingt nicht am Platz bin.“

Wie findet die Familie dein Feuerwehrengagement?
Alex:
„Meine Frau findet es gut, dass ich bei der Feuerwehr bin. Sie meint, dass das Engagement bei der Feuerwehr wirklich etwas ist, was in der Gemeinde ankommt. Eine meiner Töchter hat sich zwischenzeitlich ebenfalls bei der Feuerwehr angemeldet.

Welche Erwartungen oder Befürchtungen haben sich erfüllt bzw. nicht erfüllt?
Alex:
„Ein Vorurteil hat sich schnell zerschlagen: Es wird kaum Alkohol getrunken. Wenn wir nach einem Übungsabend noch zusammensitzen, trinken fast alle Softdrinks oder alkoholfreies Bier. Auch die Befürchtung, außen stehen zu bleiben, weil ich nicht seit Jahrzehnten im Ort verwurzelt bin, hat sich nicht erfüllt. Ich bin sehr freundlich und offen aufgenommen worden. Meine Erwartung, dass ich irgendwann mal alles das selbst darf, was man mir in den Übungen oder Lehrgängen gezeigt hat, ist schneller in Erfüllung gegangen als ich gedacht habe.“

Was kannst du über dein Umfeld in der Feuerwehr sagen?
Alex:
„In der Feuerwehr Oberstedten sammeln sich alle möglichen Professionen, einige arbeiten im öffentlichen Dienst, einige im Gesundheitswesen, es gibt Ingenieure und Juristen, um nur ein paar zu nennen. Im Alltag habe ich in der Regel jemand aus der Feuerwehr, der mir mit einem Rat, Hilfe oder einem Werkzeug weiterhelfen kann.“

Möchtest Du den Lesern noch etwas mit auf den Weg geben?
Alex:
„Ja, die Idee dieses Interview zu führen entstand im Gespräch mit meiner Wehrführung, der ich mittlerweile als stellvertretender Wehrführer zugehörig bin. Ich möchte jeden motivieren, sich die jeweilig passende Stadtteilfeuerwehr mal anzuschauen. Ich habe es nicht einen Moment bereut, dort einfach mal reingeschaut zu haben. Ich würde es jederzeit wieder tun.“