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Die Zukunft der Feuerwehren darf nicht tot gespart werden

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Norbert Fischer, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes, spricht im TZ-Interview über Zusammenlegungen von Wehren und Mitgliederwerbung

Über 2400 Feuerwehrleute sind im Hochtaunuskreis aktiv. Die Arbeit der Einsatzabteilungen wird von den rund 15 000 Mitgliedern in den über 60 Feuerwehrvereinen unterstützt und gefördert. Die Floriansjünger fühlen sich dabei nach wie vor dem Gründungsgedanken „Hilfe für den Nächsten“ verpflichtet. Im Interview mit TZ-Mitarbeiter Matthias Pieren beschreibt Norbert Fischer, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes, welchen Herausforderungen sich die Feuerwehr aktuell stellen muss.

Norbert Fischer
Norbert Fischer, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbandes

Herr Fischer, wo brennt‘s bei der Feuerwehr?

NORBERT FISCHER: Wenn Sie damit die aktuellen Herausforderungen der Feuerwehren meinen, so lassen sich diese mit Schlagworten wie Mitgliedergewinnung, Netzwerk Feuerwehr, Integration und Zukunftsfähigkeit umschreiben.

Was meinen Sie mit Netzwerk Feuerwehr?

FISCHER: Das große Netzwerk Feuerwehr ist unbezahlbar. Es ist geschaffen durch die Menschen im Hochtaunuskreis und wird getragen durch die Feuerwehrvereine und -verbände. Es wird das System der Freiwilligen Feuerwehren im Hochtaunus auch zukünftig stützen. An diesem einmaligen Netzwerk aus Mitgliedern, Aktiven, Partnern, Unterstützern und Förderern müssen wir aber ständig weiterarbeiten und -knüpfen. Sonst ist es irgendwann nicht mehr tragfähig.

Ist die freiwillige Feuerwehr in ihrer jetzigen Form und Struktur zukunftsfähig?

FISCHER: Die Finanzlage vieler Kommunen zwingt zu Haushaltskonsolidierung und Einsparmaßnahmen – da bleibt auch die Feuerwehr nicht außen vor. In der Landespolitik wird offen über die mögliche Zusammenlegung von Feuerwehren im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit diskutiert. Die Führungskräfte der Feuerwehren im Hochtaunuskreis verfolgen das auch mit großer Sorge.

Warum?

FISCHER: Es gibt, auch bei uns im Hochtaunuskreis, keine vernünftige Alternative zum bewährten flächendeckenden System des ehrenamtlichen Brand- und Katastrophenschutzes. Die Zukunftsfähigkeit der Feuerwehren darf nicht durch kurzfristige Spareffekte unnötig gefährdet werden. Dem Landesfeuerwehrverband ist es mit Unterstützung der Bezirks- und Kreisverbände gelungen, dass sich die Politik nunmehr klar positioniert hat. Bei einer anstehenden Fusion müssen nun ausdrücklich die Zustimmung der beteiligten Wehren und die fachliche Zustimmung des Aufsichtsdienstes vorliegen.

Warum wäre die Zusammenlegung von Ortsteil-Wehren von Nachteil?

FISCHER: Eine Fusion ist nur dann sinnvoll, wenn sie von den Feuerwehrangehörigen auf freiwilliger Basis mit Zustimmung aller Fachebenen getragen wird. Entscheidet die Politik von oben, wird Feuerwehr zerstört. Auch im Hochtaunuskreis sind die Wehren ortsnah aufgestellt und mit engagierten Einsatzkräften schnell einsetzbar. Ich möchte aber klar betonen, dass wir uns nicht gegen Zusammenlegungen sperren, dort wo es wirklich gewollt ist und Sinn macht.

Wie aktuell sind die Überlegungen, Wehren zusammenzulegen?

FISCHER: Wie schnell so eine Diskussion auch im Hochtaunuskreis auf uns zukommen kann, zeigt das Beispiel Westerfeld. Im Hochtaunuskreis haben wir aber schon vor Jahrzehnten ein Beispiel erlebt, als die Wehr Schönberg geschlossen wurde.

Ist ein Mangel an aktiven Einsatzkräften wie in Westerfeld typisch für den Hochtaunuskreis?

FISCHER: Die meisten Hochtaunuswehren haben aufgrund der vielen Aktivitäten vor Ort eine positive Mitgliederentwicklung – dies ist aber nicht überall so.

Gibt es ein wegweisendes Beispiel, wie eine Feuerwehr Bürger für den aktiven Einsatz in der Einsatzabteilung begeistern konnte?

FISCHER: Es gibt gerade im Hochtaunuskreis zahlreiche gute Beispiele. So wurde im Juli erstmals die Auszeichnung "Feuerwehr des Monats" des Landesfeuerwehrverbandes an eine Feuerwehr im Hochtaunuskreis verliehen. Die freiwillige Feuerwehr Usingen-Merzhausen hat dabei erfolgreich ein auf die dörfliche Struktur des Stadtteils zugeschnittenes Konzept zur Mitgliedergewinnung erarbeitet. Anregungen, gute Beispiele und wertvolle Tipps für Aktionen zur Mitgliederwerbung gibt auch der vom Landesfeuerwehrverband veröffentlichte, neu überarbeitete Leitfaden "Mehr Menschen in die Feuerwehr".

Sprechen Sie auch neue Zielgruppen an?

FISCHER: Wir haben im interkulturellen Bereich Nachholbedarf. Mit professioneller Unterstützung und Finanzierung könnten wir durchaus mehr Migranten zur Mitarbeit gewinnen. Ich glaube nicht, dass die Feuerwehr ein Integrationsproblem hat, sondern eher ein Zugangsproblem. Auch ist zu überlegen, neue Kameradinnen oder Kameraden über ein Soziales Jahr zu gewinnen oder zu binden – und dafür finanzielle Unterstützung zu erhalten. Bad Homburg praktiziert dies ja bereits erfolgreich. Andere Kommunen zögern leider noch.

Womit kann die Feuerwehr heute punkten?

FISCHER: Hier kann jeder seinen Platz finden – gleich welchen Alters, welchen Geschlechts und welcher Herkunft. Jedem Menschen in Not wird geholfen, ohne zu fragen. Feuerwehr ist aber weit mehr als Einsatz, Ausbildung und Technik im Rahmen einer effektiven Gefahrenabwehr. Zur Feuerwehr gehört aktive Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sie finden in der Jugendfeuerwehr sportliche Betätigung und Wettbewerb. Feuerwehr ist Mittelpunkt der Kultur in einer Gemeinde. Dazu gehören auch die 170 aktiven Feuerwehrmusiker im Hochtaunuskreis. Das ist gesellschaftspolitisches Engagement im besten Sinne.

Kommt nicht genügend Nachwuchs aus den eigenen Reihen?

FISCHER: Leider sind die Zahlen in den Jugendfeuerwehren etwas rückläufig. In den kommenden Jahren wird die Förderung der Jugendarbeit sicherlich ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit sein. In den einzelnen Städten und Gemeinden im Hochtaunuskreis wird in Sachen Jugendfeuerwehr hervorragende Arbeit geleistet. Erfreulich ist auch, dass alle offenen Positionen bei der Kreisjugendfeuerwehrleitung besetzt werden konnten. Die Kreisjugendfeuerwehrleitung ist sehr engagiert.

Und wie sieht es bei den Kleinsten aus?

FISCHER: Wir freuen uns über zunehmende Gründungen von Kinderfeuerwehren. Im Hochtaunuskreis haben wir inzwischen 25 Gruppen und zahlreiche engagierte Menschen, die sich auch außerhalb des Feuerwehrdienstes erfolgreich betätigen.

Welche Entwicklungen ärgern sie am meisten?

FISCHER: Die Belastung unserer Führungskräfte mit administrativer Arbeit ist nicht mehr tragbar. Immer mehr Schriftverkehr, Formulare und Anträge müssen bearbeitet, Verordnungen und Bestimmungen beachtet und umgesetzt werden. Hier ist Unterstützung seitens der Kommune als Aufgabenträger gefragt. Ein mittlerer Skandal war die Überlegung, dass Feuerwehrleute ehrenamtlich die Arbeit von Straßenmeistereien übernehmen sollten. Während der Straßenverkehr immer mehr zunimmt, werden die Besetzungen der Straßenmeistereien außerhalb der normalen Dienstzeiten immer mehr ausgedünnt. Dass nunmehr Feuerwehrleute als "billige Lückenfüller" diese Tätigkeiten – auch zu Lasten der Arbeitgeber – ehrenamtlich übernehmen sollten, war und ist nicht akzeptabel. Zum Glück sind diese Pläne laut Wirtschaftsministerium wohl vorerst vom Tisch.

Wie weit ist das Mammut-Projekt "Digitalfunk" vorangeschritten?

FISCHER: Es geht voran. Unsere Wehren wollen noch in diesem Jahr den Einsatzstellenfunk einführen. Wenn dann noch unsere Leitstelle entsprechend neu ausgestattet und die infrastrukturellen Maßnahmen durch Bund und Land weiter so umgesetzt werden, steht der vollständigen Einführung und Nutzung dieser neuen, aber auch sinnvollen Technik nichts im Wege.

Artikel vom 11. November 2012, 19.20 Uhr (letzte Änderung 12. November 2012, 04.07 Uhr)

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